Geburtsbericht

Ein viel zu ehrlicher Geburtsbericht mit too much information.

Spontangeburt ohne PDA

Er war da! Der Tag des errechneten Geburtstermins. Und es tat sich - nichts! Na gut, erwartet hatte ich auch nicht wirklich, dass er pünktlich kommt, also noch alles gut. Laut Frauenärztin war noch genug Fruchtwasser da und dem Kleinen ging's prächtig. Beim nächsten Termin fiel ihr aber plötzlich das CTG negativ auf. Wir vermuteten ja, dass ich durch eine Positionsänderung (15-20 Minuten auf einer Seite liegen zu bleiben ist auf diesen unbequemen Liegen gar nicht so leicht) einfach nur das Gerät verrutscht habe, aber sicher ist sicher und wir wurden ins Krankenhaus geschickt. Mein Mann packte schon mal die Kliniktasche sowie die Nabelschnurblutabnahmebox mit ein (was für ein Wort).
Derart bepackt marschierten wir (ich etwas nervös) in den Kreißsaal, wo wir aber erst mal wieder Richtung Station zur Anmeldung geschickt wurden. Achtung, Spoiler: Es kam an diesem Tag noch nicht zur Geburt, aber wir sind im Nachhinein froh, dass wir schon mal im Krankenhaus waren, denn die Anmeldung, die nun folgte, dauerte ewig. Irgendwas stimmte wohl mit meiner Krankenkarte nicht und außerdem war immer noch mein alter Nachname darauf gespeichert. Komisch, bei der Frauenärztin eben ging es noch.
Ich sollte ans CTG angeschlossen werden, über Mittag bleiben und dann nochmal ein CTG schreiben lassen. Da beide unauffällig waren, wurde ich aber an diesem Tag schnell wieder entlassen. Die nächsten Tage musste ich zum gynäkologischen Notdienst, da Samstag war und mir keine andere Option blieb, um meine zweitägigen Untersuchungstermine wahrzunehmen. Dort verhielt sich der Kleine beim CTG erneut auffallend ruhig und das Thema Krankenhaus stand schon wieder im Raum. Zum Glück schaffte die Sprechstundenhilfe es, ihn mit lautem Klatschen und Glöckchenläuten aus dem Tiefschlaf zu holen und ich wurde wieder nach Hause entlassen. Die Plazenta fing zwar schon an, zu verkalken, aber unser Baby fühlte sich weiterhin pudelwohl und wollte einfach nicht rauskommen.
Beim nächsten regulären Termin bei meiner gewohnten Ärztin war immer noch alles unverändert, aber ich erhielt einen Überweisungsschein ins Krankenhaus - zur Einleitung. Ich sollte selbst entscheiden, ob ich den nächsten Termin bei ihr wahrnehmen oder stattdessen gleich ins Krankenhaus fahren wollte. Zu Hause überlegten wir uns das Ganze nochmal. Eigentlich wollte ich es vermeiden, einzuleiten und ich hatte gehofft, dass es irgendwann von selber losgehen würde. Aber nach weiteren zwei Tagen ohne dass sich was getan hätte, waren wir bereits 10 Tage drüber und wir beschlossen, dass heute DER Tag sein sollte.
Einen Vorteil hatte die Einleitung ja: Wir mussten nicht überstürzt oder unvorbereitet aufbrechen, sondern konnten in Ruhe unsere Taschen und Zubehör für die Nabelschnurblutabnahme einpacken. Derart bepackt betraten wir erneut den Kreißsaal, wo wir erst mal mit einer anderen Patientin verwechselt wurden. Nach ewigem Hin und Her zwischen Station und Kreißsaal, bekam ich endlich ein Zimmer. Natürlich kein Einzelzimmer, wie ich es mir gewünscht hätte, sondern ich teilte mir den Raum mit einer frisch gebackenen Mama und ihrem Baby, die auch gerade noch Besuch bekam. Toll.
Nach dem obligatorischen CTG wurde ich erst mal aufgeklärt über die verschiedenen Arten der Einleitung. Dabei wurde mir auch der Wehencocktail angepriesen, wie auch schon zuvor von meiner Frauenärztin. Diesem Hausmittel standen mein Mann und ich allerdings mehr als skeptisch gegenüber. Da verzichte ich erst 9 Monate auf Alkohol (bzw. schon länger, da ich ja schon weit vor der Schwangerschaft damit aufgehört habe), nur um ihn mir dann gegen Ende nochmal so richtig reinzukippen? Außerdem hatte ich nicht besonders viel Lust auf durch Rizinusöl verursachten Durchfall. Also wurde es eine Tablette in Form von Cytotec.
Ich wurde erneut ans CTG angeschlossen und sollte zuerst nur eine viertel Tablette bekommen. Nach einer halben Stunde sollte untersucht werden, wie weit der Muttermund dann schon offen ist und gegebenenfalls musste nochmal eine halbe und später sogar eine ganze Tablette nachgeschoben werden. So weit kam es aber bei mir gar nicht erst. Ich nahm die winzige Tablette und nach wenigen Minuten spürte ich ein wohlbekanntes Ziehen im Unterleib, ähnlich einem Regelschmerz. Dieses Ziehen wurde die nächsten Minuten immer schlimmer und ich aktivierte meinen Wehenzähler. Früher, bevor ich als Teenager angefangen hatte die Pille zu nehmen, hatte ich jeden Monat mit extremen Regelschmerzen zu kämpfen. Diese Art Schmerz durfte ich nun erneut erleben. Eine Schwester gab mir dann zwei Zäpfchen, die wohl gegen die Schmerzen helfen sollten. Von der Wirkung spürte ich allerdings so gut wie nichts. Ich hielt es keine Minute länger in diesem stickigen Stationszimmer aus.
Also gingen wir ein Stockwerk tiefer, nach draußen auf die Terrasse. Ich versuchte, ruhig zu atmen. Die frische Luft tat auf jeden Fall gut. Aber als die Schmerzen trotzdem immer schlimmer wurden und mein Wehenzähler auch schon einen immer geringer werdenden Abstand zwischen den Wehen anzeigte, machten wir uns zügig wieder auf zur Station. Dort lag ich dann den Rest meiner Zeit bis zur nächsten Tablette ab und als die Schwester erneut kam, teilte ich ihr meine Bedenken mit. Ob denn wirklich noch eine Tablette nötig wäre, da das Ziel davon doch war, die Wehen auszulösen und das definitiv gewirkt hatte. Sie schickte mich dann rüber in den Kreißsaal, ich solle mich untersuchen lassen vor der nächsten Tablette.
Dort angekommen waren die Wehen wirklich kein Spaß mehr. Ich wurde sofort ans CTG angeschlossen. Mein schmerzverzerrtes Gesicht sprach wohl Bände. Die Hebamme fragte mich, ob die Schwangerschaft bisher gut verlaufen wäre, was ich bejahen konnte. "Seien Sie dankbar." Ja, glauben Sie mir, das bin ich eh. Daraufhin kam eine weitere Frage ihrerseits, die bei mir bereits dezente Aggressionen auslöste. "Auch jetzt?" Ja, sicher, ich bin verflucht dankbar für mein Glück, das ich bisher hatte, aber das heißt nicht, dass ich meine Schmerzen nun unterdrücken muss. "Nun, gute Frau, im Moment befinde ich mich in einer Wehenpause, also ja, dafür bin ich dankbar." Gott sei Dank war das nicht meine Hebamme für den restlichen Tag und ich sah sie nur dieses eine Mal im Untersuchungszimmer. Jedenfalls brauchte ich keine weitere Tablette mehr, weil der Muttermund bereits weit genug geöffnet war und ich wurde gleich im Kreißsaal behalten.
Zu der Uhrzeit fand wohl gerade ein Schichtwechsel statt und darüber bin ich im Nachhinein heilfroh. Sämtliche Hebammen, die wir bis dahin kennengelernt hatten, waren... nun ja, speziell. Am meisten in Erinnerung geblieben ist uns die Dame, die meinen Mann zurechtwies, als ihm während meiner Untersuchung ein "Scheiße!" herausrutschte. "Das Wort mit 'S' sagen wir hier nicht", belehrte sie ihn. Mein Mann verbesserte sich also und sagte stattdessen: "Schlecht!" Ihre Antwort darauf war: "Auch dieses Wort benutzen wir nicht." Daraufhin sagten wir beide nichts mehr, sondern warfen uns nur gegenseitig vielsagende Blicke zu.
Eine weitere Hebamme stellte sich vor, sie sollte mich später auch durch die Geburt begleiten. Sie schlug mir sofort ein Entspannungsbad vor, was ich dankend annahm. Wir wurden in einen Raum geführt, wo wir uns eher wie in einem Wellness-Hotel als in einem Krankenhaus vorkamen. Warmes Wasser wurde eingelassen und sobald ich darin eingetaucht war, waren sämtliche Schmerzen auf einmal wie weggeblasen. Das Bad war in diesem Moment wirklich das Beste, was ich hätte tun können. Dort blieb ich dann eine Stunde liegen, mein Mann an meiner Seite, bis ich mit der Zeit merkte, wie die Schmerzen wieder schlimmer wurden. Ich verharrte noch fast eine zweite Stunde, wechselte immer wieder die Position in der Hoffnung, dass es das besser machen würde. Irgendwann war ich aber an dem Punkt angekommen, da selbst das warme Wasser mich nicht mehr entspannen konnte und die Hebamme holte mich wieder raus.
Mittlerweile war wohl aber schon genug Zeit vergangen, denn ich wurde jetzt endlich in ein Entbindungszimmer gebeten. Mein Wunsch war ja eigentlich eine Wassergeburt, daher bekam ich den einzigen Raum mit Wanne. Da ich aber sowieso die einzige Schwangere zu diesem Zeitpunkt im Kreißsaal war, gab es damit auch keinerlei Probleme. Ich sollte mich aufs Bett legen und wurde gefragt, ob ich etwas gegen die Schmerzen haben wollte. Obwohl ich von vornherein gemeint hatte, dass ich lieber keine PDA wollte, hätte ich nun liebend gern eine gehabt. Aber es gab da ein Problem. Durch meine Skoliose-Operation Jahre zuvor wusste ich nicht, ob es überhaupt so einfach möglich wäre. Die Hebamme leider auch nicht und bis ein entsprechender Arzt das abklären könnte, wäre die Geburt wahrscheinlich schon zu weit vorangeschritten. Also keine PDA für mich. Allerdings konnte sie mir Lachgas anbieten, was ich dankend annahm.
Als nächstes gab es eine kleine Enttäuschung für mich. Wir wollten ja das Nabelschnurblut einlagern und hatten die Box bereits mitgebracht. Nun offenbarte uns die Hebamme, dass eine Wassergeburt mit der Abnahme des Nabelschnurbluts nicht vereinbar sei. Also war die Geburtswanne für mich leider gestorben.
So vergingen die nächsten Stunden und die Schmerzen steigerten sich. Mein Mann half mir die Wehen zu veratmen. Ohne diese Hilfe hätte ich vermutlich nur unkontrolliert geschrien. Ab einem gewissen Punkt war es aber sowieso nicht mehr möglich, das Schreien zu unterdrücken. Es hörte sich jedoch eher wie ein Muhen an. Bei jeder Schmerzwelle muhte ich also ab sofort und zwischendrin hielt ich mir immer wieder die Lachgasmaske vors Gesicht. Ganz ehrlich - die brachte, glaub ich, gar nichts. Irgendwann meinte mein Mann nämlich, dass der Schlauch herausgefallen sei. Merkwürdigerweise blieben meine Schmerzen jedoch dieselben. Nichtsdestotrotz war das Lachgas eine gute Ablenkung und ich hatte was zu tun.
Schließlich stieß die Ärztin hinzu und obwohl ich keine Ahnung hatte, wieviel Zeit mittlerweile vergangen war, war mir klar, dass es jetzt langsam dem Ende zugehen musste. Ich wollte eigentlich lieber eine eher aufrechte Geburtsposition probieren, jedoch motivierte mich die Ärztin, es halbliegend zu versuchen. Ehrlich gesagt hätte ich mich zu dem Zeitpunkt auch nur noch unter starken Schmerzen aufrichten können. Die Presswehen waren mittlerweile eingetreten und bei jeder Wehe konnte man gar nicht anders als 4 - 5 mal zu drücken. So presste ich einige Wehen lang automatisch, bis die Hebamme verkündete, dass es nun Zeit wäre, die Fruchtblase platzen zu lassen. Sie war sehr überrascht, dass noch dermaßen viel Fruchtwasser drin war. Ein ganzer Schwall ergoss sich übers Bett und auf den Boden. Das Baby ist dadurch nochmal wesentlich tiefer gerutscht und es ging weiter mit dem Pressen. Die Ärztin gab mir den Tipp, meine Kniekehlen zu umfassen und somit die Beine an meinen Körper zu ziehen. Dies tat ich die nächsten Minuten, während ich auf die nächste Wehe wartete, um weiter pressen zu können. Irgendwann war ich dermaßen erschöpft, dass ich in den Wehenpausen am liebsten eingeschlafen wäre.
Dann hieß es aber plötzlich, dass man das Köpfchen schon sehen könnte. Ich wurde gefragt, ob ich nach unten fassen wollte. Etwas unsicher nickte ich. Meine Hand wurde nach unten geführt und ich weiß noch, dass ich gar nicht so richtig begreifen konnte, wo genau jetzt das Köpfchen endete und mein Körper anfing. Alles fühlte sich einfach seltsam an.
Die schlimmste Phase trat nun ein. Der beachtliche Kopfumfang meines Sohnes von 37,5 cm war mehr als spürbar. Ich hatte vor der Geburt so viel Angst vor einem Dammriss, dass ich gar nicht beachtet hatte, dass auch ein Scheidenriss möglich wäre und wie schmerzhaft der erst sein könnte. Der schlimmste Schmerzpunkt lag dabei ganz klar auf der Klitoris (da sich hier einfach die meisten Nerven befinden). So ungefähr stelle ich mir eine Beschneidung bei vollem Bewusstsein vor. Ich schrie wie am Spieß und die Ärztin bat mich, zu versuchen, die Kraft, die ich hinausschrie, stattdessen in den Bauch zu atmen. Das war sauschwer, aber ich habe es wohl einigermaßen hinbekommen. Diese letzte Phase kam mir wie eine Ewigkeit vor. Das Köpfchen war bereits sichtbar, aber ich konnte das letzte Stückchen einfach nicht durchpressen. Die Ärztin war zum Glück sehr lieb und hatte Verständnis, jedoch gab sie mir auch zu verstehen, dass ich gerade in den letzten, schlimmsten Schmerz hineinpressen müsste, um den Kopf durchzubringen. Und es stimmte, ich hatte die letzten paar Wehen nicht alles gegeben, sondern nur halbherzig gepresst, aus Angst, dass es mir meine komplette Vagina auseinander reißen würde. Aber gut, wenn sie es so wollte. Ich gab nochmal alles und dann war's auch schon vorbei.
Unendliche Erleichterung und Stolz, dass ich es geschafft hatte, überkamen mich. "O mein Gott", wiederholte ich immer wieder, weil ich ziemlich überwältigt war von diesem Tag. Ich musste übrigens nicht genäht werden und hatte laut Ärztin lediglich einen kleinen Scheidenriss davongetragen, der aber von selbst ganz schnell wieder zuwachsen würde. Tat er nicht. Ich hatte noch sechs Wochen nach der Entbindung Schmerzen beim Pinkeln. Aber okay.
Während die Hebamme das Chaos und das Blut beseitigte, wurde das Nabelschnurblut unseres Babys abgenommen, er wurde gewogen, gemessen, untersucht etc. Und dann wurde er mir schließlich auf den Bauch gelegt, wo er auch relativ schnell anfing, die Brust zu suchen. Wie es mit dem Stillen lief, schreibe ich nochmal separat in meinem Stillbericht auf.

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