Die ersten Wochen nach der Geburt und Postnatale Depression


"Am Anfang ist so ein Baby doch sowieso noch so pflegeleicht, weil es eigentlich 20 Stunden am Tag schläft." Diese Aussage habe ich in unserem Bekanntenkreis vernommen und mich gefragt: Haben die echt schon wieder alles vergessen??
Man hat ja so eine ungefähre Ahnung, wie es sein wird mit so einem Baby. Stellt man sich zu Beginn der Schwangerschaft vielleicht alles noch wie in einem pastellfarbenen Ton gehaltenen Traum vor, bereitet man sich ja dann doch 40 Wochen lang mit realistischerem Ansatz auf die Ankunft des neuen Erdenbürgers vor. Dass es dann aber so extrem wird, damit hätte ich nie gerechnet.
Man kommt zu wirklich gar nichts mehr. Ich bin die ersten paar Wochen eigentlich nur wahlweise auf dem Sofa, im Bett oder im Schaukelstuhl gelegen, meinen Sohn im Arm, habe versucht, ihn zu stillen, manchmal mit Erfolg und sobald ich dann dachte, er wäre jetzt ja eingeschlafen und ich könnte ihn eventuell ablegen... Fehlanzeige! Ja, so ein Baby schläft wirklich viel am Anfang. Aber eben nicht am Stück!
Er wollte so ziemlich jede Dreiviertelstunde gestillt werden, wodurch er regelmäßig wach wurde (auch nachts). Das ist grundsätzlich richtig und soll er gerne so haben, aber das Ganze ging irgendwann auf Kosten meiner Nerven. Ich habe kaum noch die Tiefschlafphase erreicht, die für einen erholsamen Schlaf sorgt, war eigentlich immer im Halbschlaf und tagsüber bin ich natürlich auch zu nichts mehr gekommen. Ich habe tatsächlich wieder angefangen fernzusehen! Etwas, was ich seit Jahren nicht mehr getan habe. Das funktioniert nämlich so schön neben dem Stillen und man kann dabei eindösen.
So sah ein typischer Tag bei mir aus: Aufstehen, stillen, eventuell ganz schnell ein Frühstück reinwürgen, dann wieder stillen, versuchen, das schreiende Baby zu beruhigen durch Stillen, das Baby ins Tragetuch wickeln, das Baby wieder rausnehmen, weil es nur am Brust-Suchen ist, somit wieder stillen, das Baby pucken, aufs Klo gehen, stillen, aufs Klo gehen und gleichzeitig stillen, ins Bett legen und neben dem Baby einschlafen, irgendwann vor lauter Hunger aufwachen und random Dinge essen, weil man tagsüber nicht dazu gekommen ist. Wie oft musste ich mich nachts, wenn ich durch das Babygeschrei geweckt wurde, nach dem Stillen zwischen zwei Dingen entscheiden: Wollte ich nun lieber weiterschlafen, weil ich saumüde war? Oder wollte ich doch lieber schnell aufstehen und etwas essen, weil ich durchs Stillen einfach zusätzliche Nahrung brauchte und einen saumäßigen Hunger hatte? Wollte ich also lieber vor Hunger sterben oder vor Erschöpfung irgendwann umkippen?
Ich schreibe das jetzt so drastisch, aber es war wirklich die pure Hölle und ich übertreibe hierbei nicht. Oft genug konnte ich einfach gar nicht mehr und habe aus purer Verzweiflung losgeheult. Da hab ich mich dann aber so richtig reingesteigert und als jemand, der früher mit starken Depressionen zu kämpfen hatte, kann ich sagen, dass dies wohl der Tiefpunkt meiner psychischen Verfassung war.
Mein Sohn war zwar offiziell kein Schreibaby, aber er war schon hart an der Grenze. "Genießen Sie das Wochenbett und die erste Zeit mit Baby. Die kommt nie wieder." Wie zur Hölle sollte ich diese Zeit bitteschön genießen? Ich war am Ende meiner Kräfte, hatte null Übung in der Mutterrolle und wusste oft nicht, was mein Baby eigentlich von mir wollte.
"Schlafen, wenn das Baby schläft." Wow, toller Tipp, danke. Wär ich jetzt von allein nie drauf gekommen. Wenn ich das beherzigt hätte, wäre ich wahrscheinlich noch mehr durchgedreht. Hätte ich mich nach dem stets nervenaufreibenden Stillen (mehr dazu in meinem bald folgenden Stillbericht) zu meinem schlafenden Baby gelegt, hätte ich erst mal mindestens 15 Minuten gebraucht, um runterzukommen und einschlafen zu können. Dann hätte ich vielleicht höchstens 30 Minuten schlafen können ehe mich mein Sohn wieder aufgeweckt hätte. Sorry, aber so kann ich mich definitiv nicht erholen, vor allem nicht, wenn ich das den ganzen Tag so durchgezogen hätte. Kennt das außer mir denn keiner, dass man nach so einem kurzen Nickerchen oft viel kaputter ist als ohne? Abgesehen davon, dass der Tipp sowieso einfach nur dumm ist. Dann kann ich ja auch gleich noch kochen, wenn das Baby kocht und den Geschirrspüler ausräumen, wenn das Baby die Spülmaschine ausräumt.
Die einzig wahre Lösung war Hilfe aus dem Umfeld. Ich hatte hierfür meinen Mann, der sich extra zwei Monate Elternzeit genommen hatte. Das war Gold wert, denn er konnte den kleinen Quälgeist oft mehrere Stunden tragen, wiegen oder halten, sodass ich ein paar Stunden am Stück schlafen konnte. So haben wir die ersten Wochen gehandhabt. Ich ging irgendwann ins Bett, meinen Sohn nahm ich erst mal mit. Meistens quengelte er aber nach wenigen Minuten los und dann kam mein Mann ins Spiel. Dadurch, dass er sowieso eine absolute Nachteule ist, nahm er unser Baby zu sich, z. B. ins Tragetuch, und übernahm ihn für die nächsten Stunden. Sobald unser Sohn anfing, die Brust zu suchen, weckte er mich auf, ich konnte stillen und dann versuchten wir es meistens nochmal, ihn zu mir ins Bett zu legen, wo er dann mehrere Stunden am Stück schlafen konnte oder auch nicht. Jede Nacht war anders, mehr oder weniger erholsam und mehr als 4 Stunden am Stück konnte ich bis heute noch nicht durchschlafen. Wir haben es jedoch in den Griff bekommen und einen Weg für uns drei gefunden, wie es klappt.
Dass es in der Anfangszeit so furchtbar war und ich in ein tiefes Loch gefallen bin, habe ich mittlerweile sogar schon fast wieder vergessen. So ein Baby schläft ja schließlich sehr viel am Anfang...

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