Die Hütte im Wald

Dies ist eine Art Reisebericht über unseren Urlaub in Kleinried. Wir hatten die Idee, unser Cthulhu-Pen & Paper, in dem es diesmal um die klassisch-klischeehaften College-Kids in einer abgeschiedenen Hütte gehen sollte, in einer passenden Location abzuhalten, also haben wir dieses Bauernhaus gebucht. Ich habe mich beim Schreiben von den Geschichten Lovecrafts' inspirieren lassen und deshalb ist dieser Bericht als humorvolle Hommage an "Die Berge des Wahnsinns" und ähnliche Erzählungen zu sehen. 

Wir hatten Schwierigkeiten, zur Hütte zu finden. Nach der Umleitung ging es eine immer schmäler werdende Straße hinauf, entgegen kommende Autos mussten zur Seite fahren und warten bis wir vorbeigefahren sind. Google Maps informierte uns, dass wir das Ziel erreicht hätten, aber von der Hütte war weit und breit keine Spur. Also fuhren wir so lange rückwärts und waren schon fast wieder unten, als ich eine kleine Einfahrt entdeckte, die leicht zu übersehen war. Ob es da vielleicht hinein ging?


Vorsichtig fuhren wir den Feldweg hinein, vorbei an alten Traktoren, über auf dem Weg liegende Bretter, als uns ein anderes Auto entgegenkam. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Frau, mit der wir bereits telefoniert hatten und die uns die Ferienhütte für die nächsten paar Tage übergeben sollte.
"Hallo. Leider muss ich schnell nach Hause und meinen Sohn von der Arbeit abholen. Geht ruhig schon mal rein, schaut euch um, ich komme dann in ein paar Minuten wieder und kläre den Rest mit euch", sagte die Frau mit typisch bayerischem Dialekt.
Wir entschuldigten uns für unsere Verspätung und erklärten ihr, dass es gar nicht so leicht war, hierher zu finden. Freundlich verabschiedete sie sich fürs Erste.
Wir fuhren weiter vor auf den improvisierten Parkplatz und stiegen aus, um die Hütte im Ganzen zu begutachten.
Es handelte sich mehr um ein riesiges Bauernhaus als um eine Hütte. Vor dem Eingang befand sich ein großer Tisch mit zwei langen Bänken und gleich daneben war ein Brunnen, in den frisches Quellwasser floss.
Vorsichtig betraten wir das Haus und sogleich teilten wir uns auf, sodass jeder von uns vieren einen anderen Bereich des Hauses erkundete. Daher waren oft Aussagen wie "Hey, seht mal was ich gefunden hab" oder "O mein Gott, schaut euch das an" aus den unterschiedlichsten Richtungen zu hören.
Ich erkundete gerade die Abstellkammer, als jemand rief: "Leute, das ist unheimlich!"
Wir versammelten uns um Stefan, der soeben im alten Stall gestöbert hat. Es war der unordentlichste Teil des Hauses, wahrscheinlich weil es gleichzeitig der Müllraum war. Stefan stand mitten im Stall und sah die Treppe zum Dachboden hinauf. Wir taten es ihm gleich. Es war absolute Dunkelheit dort oben.
"Stellt euch vor, da oben stünde gerade auch jemand und sähe zu uns herab."
Wir starrten eine ganze Weile in die Finsternis, ehe wir uns wieder nach draußen begaben. Wir hatten vom Eingang aus direkten Blick in den angrenzenden Wald und auf das kleine Häuschen davor, das früher offenbar als Backofen gedient hatte. Zwischen dem Wald und dem Backofenhaus befand sich eine eingezäunte, riesige Fläche, die die Kühe vom nahe gelegenen Bauernhof für ihren Freigang nutzen konnten. Davor war eine Feuerstelle errichtet.
Neben dem großen Bauernhaus befand sich außerdem noch ein weiteres, etwas kleineres Haus auf einem kleinen Hügel.
"Die Frau am Telefon hat gemeint, wir könnten das Haus auch nutzen, wenn wir wollen."
Vor dem zweiten Haus war unter dem Dachvorsprung eine Schaukel angebracht. Ben schwang sich sogleich darauf und verschwendete erst seinen zweiten Gedanken daran, dass das alte Seil eventuell reißen könnte.
Wir öffneten die Tür und ein kalter Schauer jagte uns über den Rücken. Es war an sich schon kein besonders warmer Herbstabend, aber in dieser Stube war es nochmal kälter als draußen.
Das Nebengebäude entpuppte sich als vollwertiges Haus mit nochmal zwei Schlafzimmern, einem Bad und einer Küche. Außerdem weckte der Kickerkasten in der Mitte des Raums bei uns allen Begeisterung.
Sobald die anderen beiden in zwei Tagen anreisen würden, könnten wir dieses Gebäude ebenfalls beheizen und sie könnten hier drin schlafen. So dachten wir zumindest, aber wir würden dieses Haus nie benutzen.
Wir hörten draußen einen Wagen vorfahren und eilten wieder zurück zum Parkplatz. Die Frau von vorhin war wieder da.
Nachdem das Grundlegende wie das Beheizen des Hauses und Mülltrennung geklärt war, meinte die Frau noch, wir sollten die Badewanne im Obergeschoss aufgrund eines Frostschadens nicht benutzen, ansonsten wäre alles im Haus frei für uns verfügbar. Die Garage wäre leider besetzt, da der Nachbar da seinen Porsche geparkt hätte. Manchmal käme er vielleicht vorbei, um ihn herauszufahren. Dies täte er aber immer nur dann, wenn er Besuch hätte. Sie verabschiedete sich und wünschte uns einen angenehmen Aufenthalt.

Wir verteilten die Schlafzimmer unter uns und brachten unser Gepäck ins Haus. Da jedem von uns mittlerweile unfassbar kalt war, beheizten die Jungs den Kachelofen im Esszimmer, während ich mich an die Zubereitung des Abendessens machte. Mir war zu diesem Zeitpunkt schon irgendwie klar, dass etwas nicht in Ordnung war, allerdings ignorierte ich sämtliche Vorzeichen.
Es gab keinen Fernseher in der Hütte, aber wir hatten an alles gedacht und einen Bildschirm mitgenommen, den wir nun im Wohnbereich aufstellten. Unseren ersten Abend in der Cabin verbrachten wir damit, Filme zu schauen. Wir hatten passenderweise "The Cabin in the Woods" (ein All-Time-Favorite) und "Cabin Fever" dabei. Letzterer war zweien unserer Gruppe noch gänzlich unbekannt, überzeugte sie aber durch den herrlich blöden Humor und die klassische Handlung. Ein paar Leute wollen Party machen in einer Hütte im Wald, stecken sich aber schon bald mit einer mysteriösen Krankheit an, die sie alle nach und nach auffrisst. Im Film ist die Ursache dafür das Wasser, das sie trinken. Mit einem Augenzwinkern stellte Stefan frisches Brunnenwasser von der Quelle draußen auf den Tisch.
"Und so beginnt es", lachte er. Ach, hätten wir doch nur gewusst, dass eine Gefahr, viel simpler als verseuchtes Wasser, auf uns lauerte. Selbst heute, wenn ich daran zurück denke, läuft mir noch ein kalter Schauer über den Körper.
Die erste Nacht in der Hütte schlief ich überraschend gut und wurde lediglich ein paar Mal vom Schnarchen aus den Nebenzimmern geweckt.
Den zweiten Tag ließen wir ruhig angehen, beschäftigten uns den ganzen Nachmittag über mit einem Brettspiel, in dem es darum ging, Kreaturen aus dem Cthulhu-Mythos zu bekämpfen. Wir hatten Glück und konnten Shub Niggurath bezwingen. Mir ging es danach nicht besonders gut und ich musste mich erst mal hinlegen.
Als ich aufwachte, hatten die anderen bereits ein Lagerfeuer bei der Feuerstelle vor dem Zaun gemacht. Es war kalt draußen, also zog ich meine Jacke an und legte mir eine zusätzliche Decke um, bevor ich mich zu ihnen gesellte.
"Flo, wann wird es hier eigentlich dunkel?"
Er begutachtete den derzeitigen Sonnenstand und meinte: "Etwa eine halbe Stunde noch."
Der Sonnenuntergang erfolgt zwei Stunden später. Wir haben unsere Folienkartoffeln, die wir in die Glut geworfen hatten, bereits verzehrt und jeder, bis auf mich, hatte entweder eine Bierflasche in der Hand oder ein Cuba Libre-Glas. Jetzt, da die Sonne untergegangen war, sahen wir, dass da noch Licht unten in unserer Hütte brannte.
"Hey, wer hat das Licht angelassen?"
"Das war ich. So sehe ich sofort den Schatten, falls jemand bei uns einbrechen sollte", scherzte Stefan.
Wir sahen hoch in die Sterne, die in dieser Nacht klar zu erkennen waren. "Das da ist der große Wagen. Und hier drüben könnt ihr die Milchstraße sehen." Während wir über die Sinnhaftigkeit des Seins sinnierten und uns gegenseitig unsere Ängste und Sorgen mitteilten, fiel uns gar nicht auf, wie es immer später und später wurde. Ab und zu, wenn das Feuer wieder kleiner wurde, stand irgendjemand auf und ging Holznachschub aus dem Stall holen. "Ich komm gleich wieder."
Und jedes Mal, wenn das Feuer wieder angefacht wurde, hieß es: "Das dürfte ungefähr eine halbe Stunde brennen. Danach können wir reingehen."
Aber das Feuer brannte nie nur eine halbe Stunde, sondern immer drei Mal so lange und wir gingen danach immer nochmal Nachschub holen, weil "es hier grade so schön ist".
Obwohl ich so nah am Feuer saß, fror ich am ganzen Körper, besonders in den Zehen. Nur mein Gesicht war warm, es war sogar zeitweise so heiß, dass ich das Gefühl hatte, mein Gesicht würde schmelzen.
Der Mond stand seltsam in jener Nacht, am Feuer war es natürlich hell, aber rund herum hatte es tiefste Dunkelheit, wie eine Kuppel aus Finsternis, die über uns gestülpt worden ist. Die Hütte selbst jedoch erstrahlte in hellstem Mondlicht.
In diesem Moment ertönten seltsame Geräusche aus den Wäldern. Wir kannten jene bereits von früher, ähnliches hatten wir schon in Irland gehört, als wir bei den Hügelgräbern waren. Scherzhaft meinten wir damals, es handelte sich vermutlich um Aliens. Was nun folgt, wage ich kaum, niederzuschreiben, zu grässlich sind die Ereignisse, die wir nun erleben sollten.
"Hey, seht mal, wer da kommt", rief Stefan plötzlich.
Wir drehten uns um und aus der Dunkelheit traten zwei schemenhafte Gestalten, die wir bald als Kühe identifizieren sollten.
"Hey Berta." Stefan stand auf und bewegte sich auf die Kuh zu, die nun ganz dicht am Zaun bei uns stand. Als er vorsichtig eine Hand hob, um sie zu streicheln, fuhr sie ihre riesige Zunge aus und angewidert schreckte er zurück.
Die zweite Kuh legte sich derweil auf die Wiese.
"Herrlich, wie abgeschieden wir hier sind. Würde jetzt irgendwo Krieg ausbrechen, wir bekämen es nicht einmal mit."
"Ja, stellt euch vor, ein Psychopath wäre aus der Irrenanstalt in unserer Nähe ausgebrochen und würde nun durch die Wälder wandern, auf der Suche nach seinem nächsten Opfer."
Mit diesen Gedanken vergingen weitere Stunden, bis irgendwann wieder jemand mit Holznachschub ankam und ankündigte, es würde noch eine halbe Stunde brennen, danach könnten wir ja reingehen.
Müde erhob ich mich. "Ich geh jetzt ins Bett. Gute Nacht", verabschiedete ich mich und ging zurück in die Hütte, wo ich sofort entkräftet ins Bett fiel.
Am nächsten Morgen ging ich in die Küche und machte mir Kaffee. Als ich mich gerade umdrehte, dachte ich, ich hätte etwas am Küchenfenster vorbeihuschen sehen, aber als ich raussah, war da nichts.
Die anderen saßen gerade am Esstisch, als Ben rief: "Da draußen ist jemand."
Tatsächlich entdeckten wir draußen einen Mann mittleren Alters, der ums Haus herum schlich. Also hatte ich es mir doch nicht eingebildet. Auf einmal klopfte es und neugierig öffneten wir die Haustür.
"Guten Tag. Ich bin der Hausmeister. Ist mit eurer Heizung alles in Ordnung? Sie scheint in letzter Zeit Schwierigkeiten zu machen."
"Nein, alles in Ordnung", erwiderten wir verwirrt.
"Ah, na dann. Wünsch euch noch ´nen schönen Tag." Er verabschiedete sich.
Wir beobachteten ihn draußen noch eine ganze Weile, bevor er sich dann wirklich wieder vom Grundstück entfernte.
An diesem Tag unternahmen wir nicht mehr viel, warteten wir doch auf die Ankunft der anderen beiden, die unser Team vervollständigen sollten. Flo verkündete, dass er jetzt Wasser von draußen holen würde; er kehrte eine Stunde lang nicht wieder zurück. Als wir nachsehen gingen, saß er entkräftet, vielleicht durch seine Fußverletzung, die er schon lange mit sich herumzog, auf der Bank neben dem Brunnen und schlief. Er legte sich nach dem Frühstück relativ zügig wieder ins Bett und Ben verbrachte einen Großteil des Nachmittags damit, alleine an der Feuerstelle zu sitzen und zu lesen. Die mysteriösen Vorzeichen standen bereits in den Sternen, ich hätte sie nur richtig deuten müssen, dann wäre nichts von den furchtbaren Ereignissen, die noch auf uns zukommen sollten, passiert.
Ich wickelte mich in meine Kuscheldecke ein, machte mir einen Erkältungstee und setzte mich schniefend mit Taschentüchern bewaffnet auf die Esszimmerbank. Stefan bereitete indes die letzten Maßnahmen für unser Pen & Paper vor, den eigentlichen Grund, wieso wir unseren Urlaub in dieser abgeschiedenen Hütte im Wald verbringen wollten.
Am späten Nachmittag traf der Rest unserer Gruppe ein und wir konnten loslegen. Wir wollten einen klassischen Hütten-Horror mit Jugendlichen im Wald nachspielen nach einem Abenteuer aus dem Cthulhu-Universum. Stefan hatte sich bereits monatelang darauf vorbereitet und ich war ebenfalls schon in vorfreudiger Aufregung.


Wir brauchten zwei Tage für das Abenteuer, wobei wir Tag zwei zur Hälfte mit "Eldritch Horror" verbrachten. Draußen vor der Hütte schien uns ein geeigneter Platz zum Spielen zu sein. Es war früher Nachmittag und die Sonne schien warm auf die Bänke und den Tisch, als wir das Spielfeld aufbauten. Es war tatsächlich so heiß, dass ich meinen Kopf vorübergehend mit einer Decke schützen musste, da ich sonst dem Hitzschlag nahe gewesen wäre. Stunden vergingen und wir hatten diesmal nicht so viel Glück gegen die Lovecraft'schen Kreaturen - Cthulhu persönlich hieß es gerade zu bekämpfen. Die Sonne verzog sich mit der Zeit und es wurde urplötzlich eiskalt, sodass uns die Kälte durch Mark und Bein kroch. Nachdem wir das Spiel diesmal verloren hatten, kuschelten wir uns wieder zurück ins Innere der Hütte und fachten das Feuer im Kachelofen an.
Wir beendeten unser Abenteuer, das immerhin noch bis um 3 Uhr früh dauerte, dann gingen wir ins Bett.

Fürs komplette Abenteuer einmal hier klicken.

Es war der Tag unserer Abreise und alle schienen ausgelaugt zu sein. Ich war die ganze Zeit über erkältet, habe versucht, mit Suppen und Tees dagegen anzukämpfen, aber ohne Erfolg. Als die Frau, die uns die Hütte am ersten Tag übergeben hatte, zur Schlüsselübergabe vorfuhr, erkundigte sie sich nach unserem Aufenthalt, ob alles in Ordnung war und wir mal wieder kommen würden.
"Ich denke schon, ja", prophezeihte Tom.
Wir verabschiedeten uns von ihr und danach untereinander, bis schließlich jeder in sein Auto stieg und wieder nach Hause fuhr. Wir hatten die Hütte im Wald überlebt.
Die folgende Woche erreichte uns die Nachricht, dass Flo nicht in der Arbeit erschienen war und als jemand in unserer WhatsApp-Gruppe alle zu sich nach Hause einlud, lehnte Olli dankend ab, aber er hätte eine Erkältung.
Stefan fing in der Hütte bereits an, zu niesen und zu schnupfen, aber als wir wieder heimfuhren, wurde es noch schlimmer.
Ja, wir hatten die Hütte überlebt, aber es war bereits zu spät - wir hatten uns alle angesteckt. Ich hadere mit meinem Gewissen, wenn ich daran denke, dass womöglich ich den Auslöser für diesen Virus in die Hütte geschleppt habe, denn ich war bereits krank, als unser Urlaub begonnen hatte. Dies zum ersten Mal auszusprechen, ist so schrecklich, dass ich es nie einer Menschenseele mitteilen wollte. Gott, vergib mir!

Natürlich hat uns der Aufenthalt gefallen und außer einer kleinen Erkältung hat niemand Schaden genommen. Da durch "Eldritch Horror" und das Cthulhu-Rollenspiel die Stimmung die ganze Zeit über Lovecraftesque war, bot es sich an, unseren Bericht in diesem Stil zu verfassen. Cthulhu fhtagn!

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